Archiv der Kategorie: denken

Informationen fischen auf Schwedisch

Wie so viele meiner Mittdreißiger Mitmenschen warte auch ich schon seit Tagen voller innerer Spannung auf das Heilige Buch, den Katalog eines schwedischen Möbelhauses, stets prall gefüllt mit feinen Einrichtungsideen für Leute, die wollen, dass es bei ihnen zu Hause ganz genauso aussieht wie bei all ihren Mittdreißigerfreunden.

Ich trug ich mich schon vor einigen Monden in den Newsletter besagten Möbelhauses ein, was man ja eigentlich tunlichst unterlassen sollte, jedoch war die Verheißung besonderer Geschenke für solche mit Familie doch einfach zu verlockend.

Jetzt mal Klartext: In der neuesten Mail des IKEA-Newsletters wird auf eine Seite verwiesen, auf der man Interessantes über den neuen Katalog erfahren konnte, z.B., wo er denn wann und wie verteilt würde. Der Link zu dieser Seite lautete allerdings nicht www.ikea.irgendwas, sondern http://nl1.gerstenberg-direkt.de/service?blablabla, wobei „blablabla“ eine längere Zahlen- und Buchstabenkombination darstellte, die sicherlich zur Identifizierung des Klickenden dienen sollte. Die Mail wurde auch prompt vom Thunderbird als Phishingversuch geoutet und brachte mich dazu, doch mal nachzuschauen, wer eigentlich Gerstenberg ist und was er mit IKEA zu tun hat.

Offensichtlich ist die GERSTENBERG Druck & Direktwerbung GmbH für Vertrieb und Marketing des IKEA-Katalogs in Deutschland zuständig und will wohl auch gerne wissen, wer sich eigentlich den IKEA-family-Newsletter so durchliest und tatsächlich auch noch auf Links klickt. Nun denn, in diesem Fall ist das ja vollkommen in Ordnung, schließlich habe ich mich ja für den Newsletter angemeldet (das Zauberwort bei den Marketingkaspern heißt wohl „Permission Marketing“). Es hat mich aber wieder einmal ins Grübeln gebracht, wie durchsichtig ich als Nutzer des Internets für die kommerziellen Datenkraken dort draußen eigentlich bin.

Schlauer als der Fahrradklauer?

Mit so einem schönen, neuen Fahrrad kommen ja auch die (von Kommentatoren noch angefachten) Sorgen, das Gerät könnte irgendwann mal jemandem so gut gefallen, dass er es ohne monetäre Gegenleistung einfach so entfernt. Viele Fahrradforen dort draußen beschäftigen sich mit dieser Frage, sehr nett zum Beispiel diese Sammlung mit dem Titel „How can my bike survive NYC?„. Patentlösungen gibt es nicht, aber einige sehr schöne Beachtungspunkte:

  • Sinn eines Fahrradschlosses ist nicht, den Diebstahl des Rads zu verhindern, nur, ihn zu verzögern.
  • Ziel des Schlosseinsatzes ist es, dem Dieb das Fahrrad nebenan attraktiver für einen Klau erscheinen zu lassen.
  • Es gibt ganze Tippsammlungen, die erklären, wie man sein Fahrrad auf ganz alt trimmt. Ich habe immerhin schon angefangen, um die Rahmenrohre Lenkerband zu kleben, das schützt den Lack und sorgt für mehr Hässlichkeit.
  • Den Sattel sollte man immer abnehmen, weil kein Fahrraddieb gerne lange Strecken im Stehen fährt.
  • Auch schön: Besorge dir Aufkleber irgendeiner Billigmarke (in Deutschland vielleicht eine dieser Kaufhausmarken) und ersetze alle Cannondale-Aufkleber an deinem Rad. Oder lasse sie ganz weg, so hab ich das gemacht.
  • Dumme Diebe klauen dein Fahrrad, auch wenn es billig aussieht, weil sie keinen Plan haben.
  • Schlaue Diebe klauen dein Fahrrad, weil sie wissen, dass es nur billig aussieht.

Bohrende Fragen

Oft, wenn ich in unserem Schlafzimmer auf dem Bett liege und vor mich hinstarre, fällt mein Blick auf die Dartscheibe an der Wand und ich frage mich nun schon seit Monaten: Nach welchem System sind eigentlich die Zahlen auf der Scheibe angeordnet?

Der Leser dagegen fragt sich: Warum um alles in der Welt hängt bei denen eine Dartscheibe im Schlafzimmer?!

Wanderidee

Hier in der universitären Forschung werden ja vor allem irre Ideen produziert, weniger sinnvolle Systeme. Schön ist es deshalb immer, wenn eine Idee, die ich irgendwann einmal in einer dieser endlosen Hirnsturmsitzungen geäußert hatte, sich auf den Weg macht, in ein Fremdhirn spaziert und dort Wurzeln schlägt, wächst, gedeiht und mannigfaltige Frucht bringt.

Meine Idee fing so an:

Bei einer Überprüfung meiner del.icio.us-Tags fiel mir ein, dass ich doch mal nachsehen könnte, wer eigentlich meine Heimseite getaggt hat. Es stellte sich heraus, dass es weltweit nur einen gab, der das gemnacht hatte. Leider sind bei del.icio.us aber die Usernamen quasi anonym, es ist also nicht ersichtlich, wer sich hinter dem User verbirgt, der meine Seite getaggt hatte.

Was sich aber natürlich herausfinden lässt, ist

  • Welche Tags verwendet der User?
  • Welche Seiten hat er getaggt?
  • Wo lassen sich weitere Informationen über den User finden?

Wenn es darüber hinaus den gleichen Usernamen auch noch auf anderen Systemen gibt, auch

  • Welche Fotos hat der User auf Flickr eingestellt?
  • Wie sind diese Fotos getaggt?

Die Problemstellung: Kann man aus dieser Menge semistrukturierter Informationen (Tags, URLs, Fotos) eine Schätzung über die Person, die sich hinter den Tags verbirgt, ableiten? Wie ließe sich so etwas bewerkstelligen? Wie ließe sich so etwas verhindern? Und wer zum Henker ist „dolefulrabbit“?

Die Idee, ursprünglich unter dem widerwärtigen Arbeitsnamen „Semantische Rasterfahndung“ geboren, ist zu Sebastian Kurt gewandert, der daraus eine Studienarbeit und jetzt auch noch eine Diplomarbeit baut. Außerdem betreibt er seit kurzem das Blog vIdentity, das ich mit Spannung verfolgen werde.

Bumm verboten

§328 StGB, Abs. 2, Satz 3:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, [..] wer eine nukleare Explosion verursacht.“

Nichts darf man.

Das einfache Leben

R. ist dreifacher Vater, ehemaliger Radrennfahrer, Fahrradkurier und hat eine kleine Fahrradwerkstatt im Keller. Oft finde ich R. auf einem Spielplatz in Wilhelmsruh, wo er mit seinen Töchtern und anderen Kindern Fußball spielt oder am Rand des Buddelkastens mit anderen Eltern quatscht. Oft erzählt er mir, dass er halt solange Sendungen in der Stadt herumfährt, bis das Geld stimmt – dann kann er sich mit seinen Töchtern oder Fahrradbasteleien beschäftigen.

Neulich habe ich ihn gefragt, ob er für seine kleine Fahrradwerkstatt nicht eine Webseite hat. „Och nö, ich bin da eher altmodisch, meine Werbung läuft nur über Mundpropaganda.“ Ich dachte: „Aber da könnte man doch noch so viel machen“. Wenn ich mich und R. dann so höre, komme ich mir manchmal vor wie der Fischer in der „Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral“ von Heinrich Böll und fühle mich ertappt und gleichzeitig neidisch auf das einfache Leben.