Archiv der Kategorie: denken

Vom Wert der Musik oder „It’s up to you“

Also, Radiohead revolutioniert ja gerade so ein bisschen das Geschäftsmodell von Musik im Web, indem sie ihr neues Album „In Rainbows“ auf ihrer Seite zum Download anbieten und beim Preis dann schreiben „It’s up to you“. Interessant finde ich dabei die Frage, wieviel das Album den Leuten eigentlich wert ist, wenn man wie zum Beispiel hier einerseits liest, was Radiohead doch für eine tolle Band sind, wie fein auch das neue Album daherkommt, und andererseits dann davon geschwärmt wird, dass das ja alles umsonst sei.

Ist es nicht, oder? Die Band lässt mir nur die Wahl, selbst zu entscheiden, wieviel mir das neue Album wert ist. Und gerade das macht die Sache ja so interessant. Greife ich das jetzt einfach so ab, weil es ja nichts kostet? Wieviel ist es mir wert? Bin ich vielleicht der Meinung, die Band verdient eh so viel, dass ich das jetzt auch mal kostenlos runterladen kann? Und wenn ich denen was dafür gebe, wieviel Geld soll es sein? Vielleicht lösche ich es ja morgen wieder.

Ich möchte hier vorgreifend klarstellen, dass ich nicht den moralischen Zeigefinger hebe. Ich mache mir nur meine Gedanken, wie doch so ein kleiner Kniff wie „It’s up to you“ bei mir zu recht substanziellen Gedanken zum Wert der Musik führen kann.

Wieviel habt ihr denn gezahlt? Oder wieviel würdet ihr geben?

Sitzen in der S-Bahn

Drei aus Sieben

„Drei aus Sieben“, Thomas Schewe, CC

Die traditionelle Sitzaufteilung im Fahrradgepäckrollstuhltierabteil der Berliner S-Bahn im ist ja RHRHRH (R=Runter, H=Hoch). So kommen sich am wenigsten Menschen mit ihren Zeitungen in die Quere. Oft zu beobachten ist auch noch FFFHFFF (F=Fahrrad) mit dem Erfolg, dass ein einzelner Fahrgast mit Untersatz locker drei bis vier Plätze gleichzeitig besetzt hält. Besonders in den Abendstunden wird auch gerne ARAHARA (A=Arm auf Lehne) genommen.

Danke an Thomas für die Inspiration!

Schlechte Gesellschaft

Alternativen zum blogscout sind rar gesät. Wenn ich mir den passend benamten „Schwanzvergleich“ von blogcounter ansehe, denke ich so bei mir: „Willst du da wirklich mit drauf?“ Andererseits könnten ja auch einige seriöse Blogger mal versuchen, das schmierig-prollige Blogcounter-Feld von hinten aufzurollen und dort eine Qualitätsoffensive zu starten. Ein paar haben es ja schon geschafft …

Bye bye Blogscout

Dirk Olbertz macht Blogscout.de dicht. Damit fehlt auch die wichtigste deutsche Blogkarte sowie der einzige Überblick über die deutsche Blogosphäre inklusive der angesammelten Statistiken, was Zugriffe, Verlinkungen etcetera betrifft.

Das ist ungefähr so, als würde in deinem kleinen Dorf die einzige Kneipe schließen, in der du dich mit den Menschen aus dem Ort getroffen und beispielsweise PS-Zahlen der Kraftfahrzeuge, Längen gefangener Fische oder auch – wenn es später und feuchter wurde – die Göße des Genitals verglichen hattest.

Woher soll ich jetzt wissen, welchen Stellenwert mein Blog in der unüberschaubaren Menge der deutschen Weblogs hat? Wer bin ich überhaupt noch? Was soll ich hier?

Schrödingers Wespe

Sie liegt in unserem Mülleimer. Wenn man jetzt nachschaute, wie es ihr geht, erlitte sie entweder durch das Herumgestochere den Exitus oder flöge aufgeschreckt wieder hinaus. Solange man nur aus der Ferne auf den Mülleimer schaut, ist ihr Zustand undefiniert.

Angst im Osten

Fortsetzung von Transit.

Die Angst, die ich als Kind vor den DDR-Staatsorganen hatte, nahm ich mit in die Jugendzeit. Einmal waren wir bei Bekannten in Hennigsdorf und ich spielte mit deren Kindern an der Havel, wie Kinder das so machen. Als wir gerade einen ziemlich großen Sandhaufen aufgeschüttet hatten, fuhr ein Boot der Volkspolizei an der Havel entlang und jemand rief durch ein Megafon, was wir denn da machten und das wir das aber mal sofort lassen sollten. Ich bekam panische Angst, dass man mich als Westkind sofort einkassieren würde und ich meine Familie nie wiedersehen würde. Nichts passiert, aber ab da wollte ich nie wieder mit, wenn meine Eltern nach Hennigsdorf fuhren. Die Bekannten sind auch bald darauf mit Kind und Kegel ausgereist.

Das zweite Erlebnis dieser Art hatte ich Anfang 1990, also nach der Öffnung der Mauer, aber vor der Wiedervereinigung. Meine damalige Freundin war aus München zu Besuch in Berlin, natürlich aber in Ostberlin – war ja alles billiger. Ich wollte sie in ihrem Jugendhotel gegenüber vom Tierpark besuchen. Also in die U-Bahn gesetzt und bis Friedrichstraße gefahren, dem Übergang des Grauens – verwinkelt, undurchschaubar und voll mit verbitterten Grenzern, die langsam das Ende der Fahnenstange vor Augen hatten und wahrscheinlich noch mal so richtig reinhauen wollten. Dort dachte ich nichts Schlimmes, als ich – schon auf Ostseite – von einem Beamten in einen Nebenraum gebeten wurde. Ich solle doch mal bitte meine Taschen ausleeren und den Inhalt auf den Tisch dort legen. Und siehe da, in meinen Taschen fanden sich ungefähr vier Mark Westgeld. Westgeld! Ich war Westgeldschmuggler! Ich wollte den ganzen Osten mit imperialistischer Währung zumüllen und die Zonis um ihre geliebten kleinen Aluchips bringen! Nun denn, die Konsequenzen waren nicht zehn Jahre Bautzen oder Nordsibirien, wie ich in meiner Panik angenommen hatte. Ich musste das Geld abgeben und bekam eine Quittung dafür. Die war ziemlich unbrauchbar, außer man wollte Mutti zeigen, das man das Verpflegungsgeld nicht wieder für Comichefte ausgegeben hatte.

… wird fortgesetzt …

Mehr Gedanken übrigens drübigens im Stralau-Blog.

Transit

Transitvisum

 

War doch nicht alles schlecht im Osten. Ist doch auch irgendwie lustig gewesen. Da hatten noch alle Arbeit. Das war doch nur, damit die von drüben nicht reinkonnten.

Ich bin in Westberlin aufgewachsen und kann natürlich gar nicht mitreden. Man lebte auf einer Art Ferieninsel, die von den lieben Freunden aus der übrigen Bundesrepublik mit großzügigen Solidarbeiträgen mitfinanziert wurde und von einer angesichts der Übermacht der um die Stadt zusammengezogenen Sowjettruppen doch recht niedlich anmutenden Zahl von Amerikanern, Briten und Franzosen verteidigt wurde. Der Filz wucherte, selbst als Schüler bekam ich noch einiges von den typisch Westberliner Korruptionsskandalen mit („Neue Heimat“) und es ging doch allen ganz gut. Da stand nur eine Mauer mitten in der Stadt.

Um in den Urlaub zu fahren, was für unsere Familie damals meistens „nach Dänemark“ hieß, musste man eine der drei/vier Transitstrecken benutzen. Der wichtigste Bestandteil des Urlaubsanfangs war „die Grenze“. Es war klar, dass es die erste Mahlzeit der Reise immer erst „hinter der Grenze“ gab. Die Grenze, das war fast immer Dreilinden, ein vielspuriger Moloch der hässlichsten Architektur, die man als Kind so kennenlernte. Tagsüber in Grau, abgesetzt mit Grau und ein bisschen Grau zum Aufpeppen, nachts dann von diesen unmenschlich orangegelben Lampen beleuchtet, was die Gebäude nicht schöner machte. Immer war man in Panik, ob Vatis Pass überhaupt akzeptiert würde (er hatte sich einmal extra den Bart abgenommen), ob wir diesmal doch Waffen, Funkgeräte oder Schmuggelware dabei hatten oder etwas, dass als solches intepretiert würde und wir den geamten Wagen ausräumen mussten. Die Ausweise nahm uns ein Grenzer in einem kleinen Häuschen ab, dann fuhren sie auf einem Laufband zu einem weiteren Häuschen, wo wir sie wieder zurückbekamen. Was zwischen den Häuschen passierte, außer dass sich meine Eltern zankten, wer sich wohl wieder die längste Autoschlange herausgesucht habe, habe ich nie erfahren. Vielleicht wurden da die Leute ausgesucht, die man sich später auf einem Extraparkplatz noch mal gründlich vornahm.

Bis Helmstedt war dann Ruhe, ich vergesse jedoch bis heute nicht, wie ich jedesmal, wenn wir die letzte Kontrolle passiert hatten, unendlich erleichtert war, wieder im Westen zu sein.

… wird fortgesetzt …