Unsere Schule bekam also einen Computerraum, was für mich die Erlösung bedeutete. Anstatt die Nachmittage im Kaufhaus zu verbringen, wo ich an den Tastaturen verschiedenster ausgestellter Rechner klebte, konnte ich jetzt in der Schule herumlungern. Einer der Lehrer hatte seinen Apple II zur Verfügung gestellt – Grünmonitor, zwei Diskettenlaufwerke, das war's. Als wir – unter Aufsicht des Mathelehrers natürlich – da zum ersten Mal randurften, ließ ich mir von Frank die wichtigsten Apple-Basic-Befehle erklären: PRINT, INPUT, GOTO und Fallunterscheidungen mit IF..THEN..ELSE. Die nächste Woche verbrachte ich damit, mir ein Textadventure auszudenken, dessen Logik ungefähr so aussah:
Du bist auf einer Party. Möchtest du
a) ein Mädchen anbaggern,
b) was trinken oder
c) gehen.
Je nach Tastatureingabe kam man dann zur nächsten Aktion. Man merkt schon die pubertären Einschläge und das Ganze war schrecklich primitiv, aber es funktionierte und mehr als die erklärten Befehle brauchte ich auch erst mal nicht.
Etwas später hatte Andi dann die irre Idee, daraus ein Grafikadventure zu machen und den angesprochenen Drink auf den Bildschirm zu "malen". Der sollte aus zwei Ellipsen für Glasrand und -boden, einem Strohhalm und Kullern für die Bläschen bestehen. Nachdem wir im Handbuch die Abteilung Zeichenbefehle gewälzt hatten und freiwillig (!) die Formel für die Berechnung der Ellipse ausgeknobelt hatten, konnten wir das Glas zeichnen. Es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis die Ellipsen fertig gerendert waren. Leser mit Programmiererfahrungen können sich vielleicht vorstellen, dass das Debugging etwas haklig war und wir auf weitere Zeichnungen dann auch verzichten wollten. Ich hing aber am Haken und würde in den nächsten Schuljahren meine Nachmittage im Computerraum verbringen.
Einige Zeit später bekam die Schule dann Zuwachs durch einen (für damalige Verhältnisse) High-End-Quasi-PC von Digital Equipment. Den hatten Jens und Andi in einem Preissausschreiben "für die Schule" gewonnen. Ihre Mutter hatte für das Preisausschrieben den Spruch kreiert "Alles, was du willst, das tut er, programmierst du den Computer." Wenn das kein Lebensmotto war. Leider war der DEC nur ein Quasi-PC mit eigenem Betriebssystem, so dass das meiste an Software, was die Lehrer dann so anschleppten, gar nicht drauf lief. Ich kann mich dort eigentlich nur noch an die Textverarbeitung "Wordstar" erinnern.
Zwei weitere Computer, dieses Mal Commodore PC-10, sollten den Raum erstmal füllen. Ich gehörte mittlerweile zum festen Inventar, meine Eltern waren froh, dass ich nachmittags nicht irgendwelchen Mist machte und um fünf wurde ich immer vom Hausmeister rausgeschmissen, der endlich Feierabend machen wollte. Wenn ich dann auf der Straße vor der Schule stand, war die Welt in ein sonderbares rot-blaues Licht getaucht – der Nachhall stundenlangen Starrens auf Schwarz-Grün-Bildschirme.
(In der Reihe “Herzlichen Glückwunsch oder Wie alles begann“ ist dies der vierte Artikel nach jenem hier)