Seit dem 19. Januar 2006 leitet die Domain „www.wikipedia.de“ nicht mehr zur deutschen Wikipedia. Grund ist eine einstweilige Verfügung eines Berliner Gerichts – der Hintergrund offenbar, dass sich die Familie des verstorbenen Hackers „Tron“ dagegen gewehrt hat, dass der vollständige Name von „Tron“ in der Wikipedia auftaucht. Mehr dazu hier und hier und hier.
Ich sehe, dass in dieser Angelegenheit ziemlich viele Blogs das Wort „Zensur“ in den Mund nehmen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass auch ziemlich viele Leute, die z.B. das Bildblog lesen, ganz laut „Verletzung des Persönlichkeitsschutzes“ schreien, wenn beispielsweise die Boulevardpresse Namen von Opfern nicht ausreichend anonymisiert, sei es nun mit Absicht oder aus Versehen geschehen.
Was die wirklichen Motive hinter dem Anliegen der Familie sind, sei dahingestellt, zumal, wie Thomas Schewe schon richtig sagt, eine Sperrung der deutschen Domain eher noch für Publicity sorgt. Aber auch die Wikipedia ist nicht heiliger oder „besser“ als alle anderen Medien, ob nun online oder nicht und deshalb sollten hier auch die selben Regeln gelten wie anderswo.
Zwischen der Nennung des Namens eines Opfers in der Boulevardpresse und dem vorliegenden Fall sehe ich schon einen Unterschied.
Bei Zeitungsberichten geht es in der Regel um die Tat und nicht um die Person des Opfers. Weitere Lebensumstände der Person sind da unwichtig. Es reicht eine allgemeine Beschreibung. Weiterhin ist hier ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben.
Im Ergebnis sehe ich hier schon ein berechtigtes Interesse der Person, dass die Angaben so allgemein wie möglich gehalten werden.
Bei einem Personeneintrag in einer Enzyklopädie sieht es in meinen Augen anders aus. Hier steht die Person und nähere Angaben über sie klar im Vordergrund. Dazu gehört auch der Realname, sofern dieser bekannt ist und keine Sicherheitsinteressen dem entgegen stehen.
Im Hinblick darauf, dass das Geschehen schon längere Zeit zurück liegt und die Person verstorben ist, rückt für mich das Eigeninteresse der Person immer weiter hinter das Interesse der Allgemeinheit.
Weiterhin ist die Nennung des Realnamens in der deutschen Wikipedia keine Enthüllung einer bisher unbekannten Information, sondern der vollständige Name wurde bereist kurz nach dem Tod Trons in einem Buch genannt.
Auch wenn ich im konkreten Fall nicht weiß, ob die Nennung unbedingt notwendig ist, so sehe ich hier schon einen Dammbruch. Ich sehe hier die äußere Einflussnahme auf die Inhalte der Wikipedia. Das ist in meinen Augen gefährlich. Aus meiner Sicht sollte auf jeden Fall verhindert werden, dass von Außen eine inhaltliche Einflussnahme erfolgt. Eine derartige Einflussnahme ist in meinen Augen auch eine Art von Zensur.
Wenn es sich um falsche Informationen gehen würde, dann sehe die Sache natürlich anders aus. Aber hier ist weder die Identität, noch der Name strittig. Es handelt sich um Fakten.
Wie Du schon ausgeführt hast, stellt sich schon die Frage, was der Hintergrund ist. Das die Sache aufkocht war doch klar wie das Amen in der Kirche.
Hey! Ich wundere mich bei der ganzen Sache einfach nur, was das bezwecken soll, eine weiterleitungs-url zu schließen. die betreiber von wikipedia.de haben doch nicht selbst unrechtmäßige Informationen veröffentlicht!? Das ist doch alles Bullshit! Versteht ihr das?
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Thomas, die Argumentation finde ich ja auch einleuchtend. Aber nichtsdestotrotz ist die Wikipedia ja kein rechtsfreier Raum (obgleich die Inhalte ja nicht im Land gelagert sind), so dass das Abschieben jeglicher Verantwortung seitens des Vereins – und so kommt es mir etwas vor („Uns doch egal, wer da welche Artikel reinstellt.“) – doch wohl fehl am Platze ist.
In diesem Fall ist es zugegebenermaßen fragwürdig, was da geschützt werden soll, aber was passiert, wenn – wie ja auch schon vorgekommen – Unwahrheiten oder gar Beleidigungen, auch über lebende Personen in der Wikipedia veröffentlicht werden?
Die Wikipedia, wie auch jedes andere soziale Projekt – lebt von der Einsichtsfähigkeit und der Intelligenz ihrer Nutzer. Da es – bewusst – keine explizite Qualitätskontrolle gibt, ist vorauszusehen, dass es zu solchen Fällen kommen wird.
Die Haltung des Vereins kann man (für mich nachvollziehbar) für befremdlich halten, aber ich kann sie auch verstehen. Der Verein versucht sich den Rücken frei zu halten.
Bereits ein Gästebuch oder ein Blog kann problematisch werden, wenn sich dort bestimmte Inhalte finden. Wikipedia ist viel größer und ist damit -im Gegensatz zu unseren Hobbyblogs- nicht mehr handelbar. Wenn sich nun der Verein die Inhalte oder auch nur die Verantwortung für diese zu eigen machen würde, dann müsste er das Projekt schlichtweg schließen.
Nur mit dieser etwas kaltschnäuzigen Sichtweise kann der Verein aus der Verantwortugn herauskommen, die letztendlich nicht übernehmen kann.
Das Wikipedia kein rechtsfreier Raum sein darf, da stimme ich Dir zu. Es muss Ausgabe der Community sein, dort für Ordnung zu sorgen.
Als ich das erste Mal von Wikipedia gehört habe, habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass das funktionieren könnte.
Dafür, dass eigentlich fast jeder alles darf, funktioniert es doch ganz gut. (Wäre froh, wenn unsere Gesellschaft so gut laufen würde. 😉 )