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Das Leben der anderen

S1 Richtung Oranienburg. Mitte Zwanzig, mittleres bis gehobenes Bildungsniveau, männlich, Mountainbike auf drei Sitze verteilt, Mobiltelefon am Ohr.

"Wie es so geht?" [..]

"Tja, scheiße gelaufen. Ein Paradebeispiel dafür, dass es auch mit Kondom schieflaufen kann. Ich hab kein Loch gesehen, aber irgendwie muss da was rausgelaufen sein. Die Kleine ist fit, fängt jetzt an zu krabbeln. Nee du, die Olle schläft jetzt bestimmt schon."

Es ist einer dieser Tage, an denen ich mir schwöre, nie mehr morgens meinen MP3-Player zu Hause zu vergessen. Nicht, weil ich auf Musik angewiesen wäre, sondern, weil ich mich damit wenigstens für eine halbe Stunde vom Leben des jungen Mannes im Fahrradabteil hätte abschotten können. So genau wollten wir es alle gar nicht wissen, aber mit einer Mischung aus Schrecken und Faszination an den tiefen Einblicken hören wir gebannt weiter zu:

  • Ein Kumpel hat Diabetes, aber "er hat das ja auch so lange schleifen lassen". Und jetzt erzählt er immer davon, dass er sowieso bald sterben wird.
  • Dem anderen Kumpel ist die Mutter schon weggestorben, Oma ist als nächstes dran.
  • Irgendwann verabschiedet er sich von seinem Gegenüber und ich glaube, doch noch in Ruhe mein Sudoku im Tagesspiegel fertigmachen zu können. Da ruft er auch schon den nächsten an: "Hi, ich wollte mal einfach so quatschen. Ich sitz gerade in der S-Bahn und das ist so langweilig." Vorbei ist's mit der Konzentration.
  • Und weiter geht der Parforceritt durch Freundschaft und Bekanntschaft: "Du, dem schulde ich noch Geld, aber der soll sich nicht so haben, ich hab ihm schon ein Drittel zurückgezahlt. Ich hätte auch meinen Anwalt einschalten können, sein Anwalt hat da nämlich viel zu hohe Zinsen angesetzt. Soll froh sein, dass er überhaupt was kriegt."

Als ich an meiner Destination endlich den Wagen verlassen darf, dröhnt mir der Schädel und ich frage mich, wo die Zeiten hin sind, wo du dich schon spät abends in eine Kneipe setzen musstest, um einmal etwas aus dem Leben eines anderen Menschen zu erfahren.

[Liveblog Semantics] Abschlussbemerkungen

Mittlerweile wieder einige Tage zu Hause, hier einige Abschlussbemerkungen:

  • Wien ist eine schöne Stadt. Ich komme gerne wieder. Wien hat Stil. Wien lässt sich auch ganz klasse fotografieren.
  • Die Semantics ist eine österreichische Konferenz, auch wenn sie großspurig als "international" angekündigt wurde. Aber es ist durchaus interessant, mal in die österreichische Semantic-Web-Community hineinzuschnuppern.
  • Fliegen ist nicht mehr ganz so schön, wenn man Donnerstag abends nach gefühlten 200 km Fußmarsch durch Wien (erst an der Donau entlang zum Donaupark und Donauturm, dann mit der U-Bahn zur Mariahilfer Straße, shoppen und anschließend via Museumsquartier wieder zurück zum Stephansdom) in einer der scheußlichsten Wartehallen der Welt auf sein mindestens eine Stunde verspätetes Flugzeug nach Berlin warten muss. Es wird dann eine gammelige alte 737 bereitgestellt, der man das "Ersatzflugzeug" schon auf dreihundert Meter ansieht.

Nur Fliegen ist schöner

Rausgucken Freitag bin ich zum dritten Mal in meinem Leben geflogen – lacht nur. Und das letzte Mal war zwanzig Jahre her. Es war zwar nur Berlin-Zürich und zurück, aber es hat wahnwitzigen Spaß gemacht. Ich hoffe, dass unser Papier auf der Semantics 2006 im November angenommen wird, dann darf ich wieder fliegen, dieses Mal nach Wien.

Der Mann auf dem Platz neben mir muss gedacht haben, ich ticke nicht richtig, ich hatte quasi die Kamera nur zum Eisessen aus der Hand gelegt. Aber was soll’s, kannte mich ja eh keiner.

Mehr von der Reise hier.

Die Straße

Die Straße gleitet fort und fort,
weg von der Tür, wo sie begann,
weit über Land, von Ort zu Ort,
ich folge ihr, so gut ich kann,
ihr lauf’ ich raschen Fußes nach,
bis sie sich groß und breit verflicht’
mit Weg und Wagnis tausendfach.
Und wohin dann? Ich weiß es nicht.

J.R.R. Tolkien, übersetzt von E.-M. von Freymann

Die Stra�e gleitet fort und fort

Jag var i sverige

In Schweden!
Nur, um die werten Leserinnen und Leser vorzuwarnen: Ich werde in der nächsten Zeit ein wenig aus dem Schweden-Urlaub erzählen, weil’s so schön war. Die obligatorische Zweihundert-Dia-Schau ersetze ich durch das flickr-Set „Schwedenurlaub“, da darf dann jeder selbst entscheiden, ob und was er sich anguckt. Für Bier und Chips müsst ihr selber sorgen.