… tausendmal ist nichts passiert. Als ich in den Osten rübermachte, wusste ich ja noch nicht, dass die Telekom fast ganz Pankow gnädigerweise mit brandheißer niegelnagelneuer Technik – sprich Lichttelefon oder Glasfaserkabel – ausgestattet hatte, wahrscheinlich um die Jahrzehnte kommunikationstechnischen Mittelalters in der DDR wiedergutzumachen.
Als dann die Freunde und Kollegen mit den Bandbreitenschwanzvergleichen anfingen (meiner hat ein Megabit, und deiner?), wollte ich natürlich nicht hintanstehen. Ich stellte aber sehr schnell fest, dass die Telekom zwar testweise noch viel viel mehr Daten durch die Glasfaser pumpen konnte, aber die Umrüstung der OPAL-Technologie für DSL natürlich für ein paar Zonenseppel, Westflüchtlinge und Ex-Bonzen rausgeschmissenes Geld sei. Es gibt doch ISDN.
Da das noch nicht erniedrigend genug war, fingen bald alle Provider an, die Nation – oder den Teil, der schon DSL hatte – flächendeckend mit Flatrates einzudecken, bis auch der letzte Dorftrottel Tante Inges Urlaubsfotos oder Ferkelfilme in HDTV-Auflösung quasi kostenlos auf seinen Dampfcomputer herunterladen konnte. Währenddessen saß ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines Informatik-Fachbereiches an einer großen Berliner Universität zu Hause und freute mich wie ein Schneekönig, wenn ich nach drei Stunden endlich fünfzig Online-Abgaben einer Praktikumsaufgabe zu Hause hatte, die ich dann korrigieren konnte. An nächtelange Unreal-Tournament-Sitzungen oder Filesharing durfte ich nicht einmal mehr denken, nachdem ich mir einen ISDN-Router gekauft hatte, der ab und zu mal nicht abschaltete und mir dann eine Telefonrechung von dreihundert Mark bescherte. Schneller und kostengünstiger war der Transport von Daten mit CD/RW von zu Hause, nur war auch die Latenzzeit ungleich höher.
Um wenigstens der Kostenfalle zu entgehen, machte ich mich auf die Suche nach einer ISDN-Flatrate. Die gab es bei der Berlikomm, also flugs den Antrag ausgefüllt und abgeschickt. Ich bekam auch postwendend eine Antwort: Die RegTP habe der Telekom erlaubt, die legendäre „letzte Meile“, also das Stück Leitung zwischen dem Kunden und dem nächsten grauen Kasten, für einen Wucherpreis an die Reseller zu vermieten. Deshalb rechne es sich für die Berlikomm nicht, mir einen Anschluss zu verkaufen. Schluchzend brach ich über dem Brief zusammen, wohlwissend, dass ich nie, nie wieder von der Telekom loskommen würde.
Verbittert saß ich eines Abends am Küchentisch, als sich meinem Haus zwei Lichtgestalten näherten. Sie gingen von Tür zu Tür, um die frohe Botschaft zu verkündigen: Ein Engel namens Alice habe ein Einsehen und würde mir einen 6-Megabit-DSL-Anschluss mit Flatrate und Telefon für unter fünfzig Euro verkaufen. Wutentbrannt schleuderte ich ihnen entgegen, dass die Telekom selbst dieses Haus, ja den ganzen Bezirk verflucht habe und wir dank der Glasfaserschlinge um unseren Hals niemals entkommen würden, aber die Boten des Engels hielten mir entgegen, dass Alice ja „eigene Leitungen habe“ und ich deshalb getrost den Erlösungsantrag unterschreiben solle.
Was soll’s, natürlich hatten Jenni und Schnupsi, oder wie sie heißen, völlig daneben getippt. Die Telekom wollte mich nicht gehen lassen, Alice hatte gar keine Leitungen und in meinem Herzen war es dunkler als je zuvor. Weil ich aber in meinem Schmerz nicht alleine sein wollte, trat ich der fantastischsten Bürgerinitiative der Welt bei – DSLnachPankow. Die hatten immerhin erreicht, dass eine Firma namens Maxxtelekom ihr DSL-Funknetz ausgerechnet in Pankow als erstes aufbauen sollte.
Leider ist auch der nächste Wimax-Sendemast in der Grabbeallee und in absehbarer Zeit keiner geplant. Auch zu den Alice-Menschen habe ich inzwischen Abstand genommen und lasse keine mehr ins Haus, stattdessen schicke ich ab und zu einen Online-Antrag hin, der mit schöner Regelmäßigkeit abgeschlagen wird („Leider können wir Ihnen zur Zeit …“). Aber jetzt hat mein Freund Henrik, der um die Ecke wohnt, doch tatsächlich eine Zusage der T-Com, dass er bis zum 4. 9. DSL im Haus hat. Die Technik haben sie ihm schon geschickt. Ich versuche es jetzt auch noch einmal:
Sehr geehrte Kundin,
sehr geehrter Kunde,
vielen Dank fuer Ihre Bestellung. In den naechsten Tagen erhalten Sie die schriftliche Auftragsbestaetigung per Post. Wir wuenschen Ihnen viel Spass mit T-Online.
Mit freundlichen Gruessen
Deutsche Telekom AG, T-Com
Sollte das nichts mehr werden, hätte ich eine Doppelhaushälfte in schöner Ruhiglage zu verkaufen. Dann gehe ich zurück in den Westen.