Archiv der Kategorie: leben

2014 in Absätzen

Bei Steffen und Kiki habe ich das wiedergefunden – ein Anlass, den rostigen alten Blogmaschinenmotor mal wieder anzuwerfen. Also, so war 2014:

1. Zugenommen oder abgenommen?

Nicht abgenommen. Irgendwie pegle ich mich immer um einen Wert ein, den ich vor lauter Scham hier nicht nennen möchte.

2. Haare länger oder kürzer?

Gleichlang wie immer – aber oben immer weniger, während in Folge einer unerklärlichen Haarwanderung an anderen Stellen überbordend Haare sprießen. Das sind vermutlich Alterserscheinungen.

3. Mehr bewegt oder weniger?

Nachdem ich eines Morgens nach unrihigen Träumen mit einem Schulterschmerz nicht von schlechten Eltern erwachte, nahm ich das Projekt „Mehr Bewegung“ in Angriff, zumal ich eine Weile lang nicht mehr Radfahren konnte. Normalerweise bin ich in der Woche um die 100km auf dem Rad unterwegs. So musste ich dann auf Rückenübungen ausweichen, bei der mich die Wii samt Balancebrett gar nicht schlecht unterstützten. Mittlerweile fahre ich wieder Rad, denke aber über Schwimmen nach – das empfahl mir der Physiotherapeut.

4. Der hirnrissigste Plan?

Ich habe überlegt, die Religion zu wechseln. Nach dem Ärger mit dem iOS-8-Update, das zu Anfang problemlos erschien, später aber doch immer mehr Seltsamkeiten zeitigte und seltsamen Akku-Allüren meines iPhone 4S war ich drauf und dran, zu Android oder Windows Phone zu konvertieren. Ich bin dann aber in mich gegangen und halte jetzt mit dem alten Gerät aus, das sich wieder berappelt hat.

5. Die gefährlichste Unternehmung?

Einen Laster auf der schwedischen Autobahn zwischen Malmö und Göteborg zu überholen, der dann selbst zum Überholen eines weiteren Lasters ansetzte, als ich direkt neben ihm fuhr. Blitzentscheidung: Auf die Tube oder in die Eisen? Ich wählte die Tube (und die Hupe).

6. Die teuerste Anschaffung?

Ich brauche ja nichts. Aber das Rumgedaddel im Bett auf dem mikrokopisch kleinen Bildschirm des iPhones nervte mich irgendwann so, dass ich ein iPad anschaffte. Auch wenn es anatomisch unmöglich scheint: Meine Augen konnten aufatmen!

7. Das leckerste Essen?

Das Dessert auf der Betriebsweihnachtsfeier war Klasse.

8. Das beeindruckendste Buch?

Nachdem ich damit begonnen hatte, mir langweilige Meetings durch Rumgekritzel und kleine Witzbildchen interessanter zu gestalten, stellte ich irgendwann fest, dass ich mit Bildchen viel lieber und lustiger Protokoll führen konnte. Dann fand ich heraus, dass es für solche Mitzeichnetechniken natürlich schon einen Namen und Blogs und Bücher gibt: „Sketchnoting“. Dann habe ich das „Sketchnote Handbook“ von Mike Rohde gekauft und war hin und weg.

9. Der beste Sex?

Äh.

10. Der ergreifendste Film?

Ich gehe ja nie ins Kino, aber als AFOL (Adult Fan Of Lego) habe ich mit der Familie zum Geburtstag des Jüngsten den Lego-Film gesehen. Der war fantastisch. Schon die ganzen Anspielungen für Fans – das Haus der Eltern von Bad Cop, das eines der ersten Haus-Sets aus den Neunzigern ist, der Seitenhieb auf Fabuland (eine der bescheuertsten Reihen, die Lego jemals rausbrachte) und und und.

11. Die beste CD bzw. der beste Download?

Nach zwei eher mittelmäßigen Alben ist das aktuelle von den Counting Crows das Beste seit „August And Everything After“.

12. Das schönste Konzert?

Die Counting Crows. Im Gegensatz zu den Großkonzerten, die ich so in den letzten Jahren mitgemacht habe, war das nicht so unpersönlich, mit Riesenbühne und Zehntausenden von Fans. Stattdessen stand ich in der Neuen Welt vorne Mitte und

13. Die meiste Zeit verbracht mit …?

Dem unsäglichen WDR-Projekt. Fragt nicht.

14. Die schönste Zeit verbracht mit …?

Kleinen Spaziergängen mit der Frau.

15. Vorherrschendes Gefühl 2014?

Es wird langsam.

16. 2014 zum ersten Mal getan?

Elektrogitarrenunterricht genommen. Nur eine Stunde, aber ich will dranbleiben. VW-Bus gefahren.

17. 2014 nach langer Zeit wieder getan?

AD&D-Computerrollenspiel gespielt. Nachdem Baldur’s Gate für iOS rauskam, bin ich gerade wieder voll im Fieber.

18. Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?

Auf die linke Schulter, also die Probleme mit der linken Schulter (ohne Schulter geht es vielleicht nicht so gut). Auf Autofahren in Berlin. Auf den Schlaganfall meines Vaters.

19. Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?

20. Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Die Entscheidung, dieses Jahr mit der Familie die Kiel-Göteborg-Fähre nach Schweden zu nehmen. Wir kamen uns vor wie auf einer Kreuzfahrt. Aufstehen und schlaftrunken in der Morgensonne in die felseninselgesprenkelte Hafeneinfahrt von Göteborg einzulaufen – unbezahlbar.

21. Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

10218.

22. Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

„Ich will mit dir alt werden.“

23. Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?

„Ich will mit dir alt werden.“

24. 2014 war mit einem Wort …?

Durchwachsen.

Blick nicht zurück im Zorn

Den Titel habe ich mal wieder bei einem der schönsten Popsongs der Welt geklaut, die Idee von dasnuf übernommen – Zeit für das Resümee:

Zugenommen oder abgenommen?

Ab. Wirklich. Nein, die Waage ist nicht kaputt.

Haare länger oder kürzer?

Was für Haare?! Fühle mich mittlerweile schon mit über zwei Millimetern wie ein Hippie. Wobei die Vorstellung interessant anmutet, den Rest lang wachsen zu lassen und locker quer über die Platte zu drapieren.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?

2012 wird als „Das Jahr, in dem wir eine Brille aufnahmen“ in die Annalen eingehen. Ich sehe endlich nicht mehr aus wie ein resozialisierter Schwerverbrecher (siehe „Haare“), sondern wir ein attraktiver Intellektueller in den besten Jahren.

Mehr Kohle oder weniger?

Ich muss als Selbstständiger den Jahresabschluss abwarten. Bleibt spannend.

Mehr ausgegeben oder weniger?

Mehr. Wir haben Kinder. Wie soll man mit älter werdenden Kindern weniger ausgeben? Völlig absurd, die Vorstellung. Und dabei haben wir (siehe dasnuf) immer noch kein Auto.

Mehr bewegt oder weniger?

Da mittlerweile mein Arbeitsschwerpunkt in Moabit und nicht mehr in Dahlem liegt. bewege ich mich definitiv weniger. Der Radweg hat sich glatt halbiert.

Der hirnrissigste Plan?

Für einen meiner Auftraggeber einen .NET-basierten Webservice zu bauen, der Microsoft-Office-Anwendungen fernsteuert, was so von Bill gar nicht vorgesehen ist. Bin bis heute überrascht, dass das funktioniert.

Die gefährlichste Unternehmung?

Radfahren auf der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg. Immer am Rand des Abgrunds.

Der beste Sex?

Auch, ja.

Die teuerste Anschaffung?

Eine neue Heizung. Dafür hat die auch ein LCD-Display.

Das leckerste Essen?

Diese Ritter-Sport-Jubiläumsschokolade mit drei Sorten Nuss.

Das beeindruckendste Buch?

Ich bin fast gar nicht zum Lesen gekommen oder eher, ich habe mir die Zeit dafür nicht genommen. Aber wirklich berührt hat mich das Geschenk, das ich bekam, als ich als Gemeindemusikchef verabschiedet wurde: „Anekdoten frommer Chaoten“ von Adrian Plass und Jeff Lucas. Bescheuerter Titel, aber inhaltlich, als wenn jemand mal ein Fenster aufmacht und das ganze muffige Glaubenshaus auslüftet. Das Beste, was ich in diesem Jahr vorgelesen habe, war „Die Penderwicks“.

Der ergreifendste Film?

Auch 2011 war ich genau 0 Mal im Kino. Der beste Film, den ich zu Hause gesehen habe, war der, den ich verpasst habe, weil ich zu diesem Treffen der Elterninitiative, wo ich neuerdings mitzumischen plane, ging. Das war „From The Sky Down“, der 20-Jahre-Achtung-Baby-Film.

Die beste CD?

Tut mir Leid, aber ich habe in diesem Jahr die Achtziger wieder entdeckt. Insbesondere der Bergemensch hat mich auf meine alten Bruce-Springsteen-Alben stoßen lassen und dann habe ich auch noch meine Simple-;Minds-Sammlung etwas vergrößert. Ich weiß gar nicht,was in 2011 rauskam.

Das schönste Konzert?

The Script im Kesselhaus.

Die meiste Zeit verbracht mit …?

Sozialen Netzwerken. Real und virtuell.

Die schönste Zeit verbracht mit …?

Sozialen Netzwerken. Mehr die realen als die virtuellen.

Vorherrschendes Gefühl 2011?

Wechselbäder zwischen Panikattacken und Altersmilde.

2011 zum ersten Mal getan?

Maler engagiert. Irre Idee – Leute, die für Geld Sachen tausendmal besser machen als ich selbst. Weil sie es gelernt haben.

2011 nach langer Zeit wieder getan?

Französisch gelernt. Seit der Älteste auf dem Gymnasium ist, kann ich wieder meine Lieblingssprache benutzen.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? Neue Heizung. Diskussionen über den Sinn von Social Networks. Friedrichshain.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Den Jüngsten davon, doch alles auf dem Klo zu erledigen, was sich dort erledigen lässt. Wir arbeiten dran.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Zeit.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?

LEGO natürlich. Der VW-Campingbus von 1962. Ich hatte niemals im Leben ein schöneres Modell in der Hand. Plastikmodellbausachen zum Kleben sind ein Dreck dagegen.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?

Du bist so natürlich.

2011 war mit einem Wort…?

Superkalifragilistischexpialigetisch.

 

Macht ruhig mit.

Nomen est Omen

Wir konnten damals nicht ahnen, dass wir die Ältere nach einem Topmodel benennen würden – das Namensvorbild war eine Nachbarstochter und die Karriere noch nicht absehbar. Aber dass unsere jetzt den Klassenfahrt-Modelwettbewerb gewonnen hat, gibt uns doch zu denken.

Explore

Twenty years from now you will be more disappointed by the things you didn’t do than by the ones you did do. So throw off the bowlines, sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in your sails. Explore. Dream. Discover.

Mark Twain

Don’t look back in anger

Sollte noch sein, der Rückblick.

Zugenommen oder abgenommen? Zu. Einer muss es ja tun in der Partnerschaft.
Haare länger oder kürzer? Kürzer. Ich lasse mittlerweile auch den Aufsatz vom Haarschneider weg.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger? Man sieht nur mit dem Herzen gut … nee, da ist nichts passiert.
Mehr Kohle oder weniger? Laut dem Zettel meines Arbeitgebers mehr. Laut Kontostand weniger, die Kinder werden halt anspruchsvoller.
Mehr ausgegeben oder weniger? Siehe den vorigen Satz.
Mehr bewegt oder weniger? Ich habe mich bewegt und mich zum 28. Februar 2010 nach Jahrzehnten endlich von der Universität gelöst. In anderen Bereichen habe ich eher weniger geschafft.
Der hirnrissigste Plan? Ohne konkrete Job- oder Projektzusage den WiMi-Vertrag nicht zu verlängern.
Die gefährlichste Unternehmung? Leben. „Gefahr“ ist mein zweiter Vorname.
Der beste Sex? Aber Hallo!
Die teuerste Anschaffung? Das teuerste Einzelstück dieses Jahr war tatsächlich der Monitor, vor dem ich hier sitze.
Das leckerste Essen? Dieses Jahr war meine einzige Lasagne sehr exquisit. Selbst Tage später und kalt genossen.
Das beeindruckendste Buch? Presentation Zen. Hat in gewisser Weise mein Denken über Präsentationen und Vorträge komplett umgekrempelt.
Der ergreifendste Film? Ich kuck ja nix.
Die beste CD? Backspacer von Pearl Jam.
Das schönste Konzert? U2 im Olympiastadion.
Die meiste Zeit verbracht mit …? Der Familie.
Die schönste Zeit verbracht mit …? Der Liebsten.
Vorherrschendes Gefühl 2009? Graduelle Verschlimmerung der Stresssymptome.
2009 zum ersten Mal getan? E-Gitarre gespielt.
2009 nach langer Zeit wieder getan? Schneeballschlachten.
Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen? Bluthochdruck, den Riss im Macbookgehäuse und die Lautstärke unseres Wäschetrockners.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte? Nicht hier.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe? Das Keyboard für die Familie … äh nein, natürlich die Älteste. Aber wir haben alle eine Menge Spaß damit.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat? Der LEGO-X-Wing unterm Baum. Mit Luke, Leia, Jan und Chewie. Was will man mehr?
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat? „Mach dich nicht kleiner, als du bist.“
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe? „Ich liebe dich.“

Wer will, der darf. Von den beiden würd ich es gern wissen wollen.

Ein Stöckchen

Für Content tu ich alles. Ein Stöckchen, gefangen bei Reauxnis.

1. Sechs Namen, auf die du hörst:

Magnus (in neuerer Zeit nennen die ihre Kinder so, aber ich mag meinen Vornamen immer noch). Maggi (die alte Schulzeit, habe ich irgendwann akzeptieren müssen). Schlumpi (Meine Eltern. Never call me „Schlumpi“ again. Never!). magnum (Klein, war meine erste UID als Informatikstudent an der TUB. So was muss man sich als Nerd merken). GrindCrank (Mein Standardnick im Web). Maggenutte (Nannten mich ein paar Idioten in der Schule, denen ich aber jetzt, nach mehr als 20 Jahren, vergeben habe.)

2. Drei Dinge, die du gerade trägst:

Eine klassomatene schwarze G-Shock-Uhr, die meine sich leider auflösende blaue G-Shock-Uhr abgelöst hat. Ein Headset. Einen Ehering, jetzt schon seit über 15 Jahren.

3. Drei Dinge, die du dir wünschst:

Eine Arbeit, wo ich für das bezahlt werde, was ich tue und das tue, wofür ich bezahlt werde. Einen Caddy Life Maxi. Und alles aus dem Lied „Madonnas Dickdarm„, außer Haare auf dem Rücken, die habe ich schon.

4. Drei Dinge, die du gestern, gestern Nacht und heute getan hast:

Gestern habe ich mich über meinen Job geärgert. Gestern Nacht bin ich mit dem Rad aus Mitte nach Hause gefahren und habe versucht, eine Begegnung mit einem unangenehm lauten, unhöflichen und sehr hohlen Menschen aus meinem Kopf zu verdrängen. Heute habe ich beschlossen, mich nicht mehr ärgern zu lassen.

5. Zwei Dinge, die du heute gegessen hast:

Ein belegtes Toast mit Schinken. Ein belegtes Toast mit Ei. Nein, es war Käse.

6. Zwei Leute, mit denen Du zuletzt telefoniert hast:

Mit Jens und Björn.

7. Zwei Dinge, die du morgen tun wirst:

Telefonkonferenzieren. In den Hörer beißen.

8. Drei Lieblingsgetränke:

Cherry Cola. Southern Comfort mit Ginger Ale. Bio-Vollmilch.

Damit die auch mal was schreiben, werfe ich das Stöckchen zu Thomas, Jens und Matthias.

Retrospektive eines Samstagabends

  • 15.00: Seit einigen Stunden scharre ich mit den Hufen. Nachdem ich mit dem Anhören der möglichen Setlist und dem Auswendiglernen der letzten unbekannten Songtexte eh komplett ins Hintertreffen geraten bin, kann der Bergemensch jetzt auch mal kommen. Hatte übrigens beim durchlesen der Lyrics überraschende Momente. So heißt es in meinem Lieblingslied vom neuen Album gar nicht „It’s not an eerie summer tale“. Na sowas! Endlich ist das Auto da.
  • 15.05: Bergemensch versucht, während er mit einer Hand das Lenkrad umklammert, mit der anderen den von seinem Sohn geschickt eingetretenen Kassettendeckauswurfknopf zu reparieren, damit wir auf dem Weg zum Stadion noch mal alles durchhören können. Der Versuch misslingt. Zumindest bringen sie auf Radio Eins „Staring At The Sun“.
  • 15.10: Wir holen der Carsten und das Bo ab, beide auch schon voll auf Adrenalin. Versichern uns gegenseitig auf dem Weg nach Charlottenburg ungefähr zweitausend Mal, wie aufgeregt wir eigentlich sind. Die Teilnahme von Bono am Sonntagsgottesdienst den Tag darauf wird intensiv diskutiert. Wird wohl eher nicht erscheinen.
  • 15.50: Nachdem das Auto – alter Nordberliner Autofahrertrick – in Ruhleben abgestellt ist, darinnen Antidehydrierungsmaßnahmen für nachher, ab in die U2. Natürlich die U2. Danken der BVG für diese umsichtige Benennung.
  • 16.00: Ankunft am Stadion, etwas in Panik, weil laut geheimen Sonderinformationen der Einlass schon um 17 und nicht wie geplant um 18 Uhr beginnt. Die ersten Rocktouristen bahnen sich schon besoffen ihren Weg durch die Menge. Echte Fans trinken nur Wasser – wir wollen ja noch was mitkriegen vom Abend. Die Camper vor den Eingängen werden aufgefordert, mitgebrachte Zelte, Gaskocher und Atomwaffen nach hinten zu verlagern. Alles ist voller Nichtberliner.
  • 17.00: Einlass. Eine echtberliner Megafonstimme mahnt die Mitordner zur Langsamkeit. Erste Irre überspringen die aufgebauten Barrikaden, um einen Platz ganz vorne an Bonos Hemdzipfel zu ergattern. Wir gehen es etwas ruhiger an, obwohl Bergemensch schon ziemlich zappelig ist. Werden wir es in den Bühnenraum schaffen?
  • 17.15: Ha. Vierte Reihe vor der Hauptbühne. Beschließen, hier zu wohnen und nie wieder wegzugehen. Nachbarn nett, teilweise aber auch schon ziemlich breit. Hoffen auf mehr Platz, wenn sich die Sitzenden beim Einsetzen der Musik dann alle wieder erheben.
  • 17.30: Aussicht: Stehen bis 23 Uhr. Fühle mich unangenehm an mein Gelöbnis erinnert. Leider haben wir uns direkt an einer Ausfallstraße aufgestellt, auf der ständig Menschen auf der Suche nach Austritts- und Trinkmöglichkeiten vorbeikommen. Drohe jedesmal auf die hinter mir sitzenden Leute zu fallen. Nie hatte ich mehr Möglichkeiten, so vielen Menschen körperlich so nahe zu kommen.
  • 18.00: Beschließe, es Bo gleichzutun und mich auch hinzusetzen, auch wenn das total losermäßig wirkt. Vergesse dabei, dass sich in meiner linken Jackentasche noch zwei Bananen Marschverpflegung befinden. Ãœberlege kurz, die Bananenreste auf die Bühne zu werfen, lasse sie dann aber doch in der Tasche, kann man ja waschen.
  • 18.15: Interessant hier unten. Die Luft ist schlechter, aber man hat einen herrlichen Ausblick auf Gemächt und Gesäß der stehenden Fans. Dafür schlafen jetzt langsam die Beine ein.
  • 18.45: Ich stehe wieder. Beschließe, dank seit eineinhalb Stunden ununterbrochener Bewerbung auf den Videoleinwänden, dass ich jetzt sofort einen Blackberry brauche. Komme aber irgendwie nicht raus.
  • 19.00: Carsten bläst unter großem Hallo die rosa Plastikkeule auf, die ihm Bo geschenkt hat. Anzügliche Witze machen die Runde. Das Ding wirkt wie ein phallischer Google-Maps-Marker in real. Endlich können wir den Freunden, die anderswo im Stadion sitzen, per Telefon unsere genaue Position mitteilen: „Wir sind hier direkt vor der Bühne und winken gerade mit diesem rosa Riesendödel“.
  • 19.05: Die ersten Roadies besetzen die Bühne und bereiten alles für die Vorband vor. Diskussionen in unserer Gruppe, ob die weibliche Form von Roadie „Roadeuse“ oder „Roadette“ lauten muss. Oder ob das auch nur ein Typ mit besonders langen Haaren ist. Das Publikum ist so unterfordert, dass schon das Aufklappen eines großen Regenschirms da vorne zu Equipmentschutzzwecken frenetisch bejubelt wird. Die Nachbarin macht sich mit vier Bechern auf den Weg, um Pfand abzuholen. Bei einem Euro pro Becher, so rechnen wir aus, hat man mit 70 Bechern schon die Karte wieder drin. Unterdrücken den Sammeltrieb.
  • 19.30: Das sind also Snow Patrol. Der Sänger wirkt so, als hätte er gerade den Volkshochschulkurs „Bewegen wie ein Rockmusiker“ mit Eins abgeschlossen und auch der Basisst hampelt herum, wie es Bassisten einfach nicht tun sollten. Außerdem unterbricht er dann und wann sein Spiel, um sich vom Roadie fotografieren zu lassen: „Ich als Vorgruppe von U2 in Berlin. Das glaubt mir zu Hause in Dublin doch wieder kein Schwein.“ Aber die Songs sind Klasse und es kommt sogar etwas wie Vorfreude auf.
  • 20.15: Jetzt aber weg mit dem Pipikram von der Bühne, hier kommt die millionenschwere Show. In den Krakenarmen (siehe Animation hier) sitzen je drei Beleuchter, die jetzt hochgekurbelt werden. Hauptsache, die waren vorher noch mal auf dem Topf. Der Gitarrentechniker erzeugt jedesmal grinsend einen Riesenapplaus, wenn er beim Checken der Gitarren irgendwelche Edge-Riffs spielt. Vermutlich könnte er seinen Chef gegebenenfalls auch ersetzen.
  • 20.30: Zwei schwäbelnde und rauchende Mittvierzigerinnen (also vier Ãœbel auf einmal) haben sich irgendwie in unsere sozialistische Wartegemeinschaft gedrängt. Versuche, mich nicht zu ärgern und beschließe, sie nachher wegzutanzen. Würde jetzt gerne mal die Füße hochlegen. Frage Umstehende, wann denn endlich Lady Gaga kommt. Ernte böse Blicke.
  • 20.45: Sie spielen „Major Tom“, laut Bergemensch das Signal dafür, dass es jetzt losgeht. Die Nebelwerfer werden angeschmissen. Alles wird dunkel.
  • 20.50: Larry Mullen Jr. ist da und besetzt das Schlagzeug. Habe das Gefühl, ich kann die Spannung mit bloßen Händen greifen, erwische dann aber doch nur Berges massiven Körper. Ab jetzt denke ich nur noch in Songs, nicht mehr in Minuten.
  • Breathe: Kann man nicht mitsingen, viel zu schnell. Bono ist so von nah gesehen noch kleiner, als ich mir das vorgestellt hatte. 1993 saß ich ja auch irgendwo im Rang und konnte nicht wirklich was sehen. The Edge sieht aus, als hätte er gerade noch seine Wohnung renoviert, als ihm überraschend einfiel, dass er ja heute Abend in Berlin spielen sollte. Adam Clayton hat einen goldenen Bass. Beschließe, das Phil, unser Bassist, auch so einen haben sollte. Macht was her.
  • No Line On The Horizon: Nehme die Ohrenstöpsel raus. So laut ist es gar nicht, was vermutlich die Anwohner in Westend bestreiten werden. Das Gute an den Liedern auf dem neuen Album sind ja die vielen Oh-oh-Parts, da komme sogar ich noch mit. Ãœberlege, dem sehr lauten aber musikalisch herausgeforderten Mann hinter mir Gesangsstunden zu empfehlen. Singe einfach noch lauter als er.
  • Get On Your Boots: Huch, jetzt wird gehopst. Nach mehreren Stunden Stehen bringe ich zumindest ein Wippen aus den Knien heraus zustande.
  • Magnificent: Ah, Anbetungsmusik. Das „360“ im Namen dieser Tour ist übrigens recht beschönigend. In Wirklichkeit steht die Band ja doch meist hier bei uns herum. Beschwere mich nicht. Bono vergeigt seine schöne eingeübte deutsche Begrüßung.
  • Beautiful Day: Edges Gitarren scheinen aus der Altvorderenzeit zu stammen. Bin begeistert, dass das uralte Rockkonzept „Zwei Gitarren, Schlagzeug, Bass“ immer noch funktioniert.
  • Mysterious Ways: Also, 1993 gab es zu diesem Lied noch eine Bauchtänzerin. Aber auch U2 müssen sparen. Carsten und ich streiten, wer den besseren Bauchtanz hinlegen würde. Jeder lässt dem anderen den Vortritt. Beschränken uns dann doch aufs Mitsingen.
  • I Still Haven’t Found What I’m Looking For: Die Band bringt immerhin 90000 Leute dazu, eine Art Glaubensbekenntnis zu singen. Wobei vermutlich ein kleiner Bruchteil weiß, was er da singt.
  • Angel Of Harlem: So einfach kommt man als Fan auf die Bühne. Hätte ich das gedacht, ich hätte auch ein Schild mitgebracht „Ich will bei Sunday Bloody Sunday die Triangel spielen“. Drei ziemlich nerdig aussehende Typen dürfen Schlagzeug, Bass und Gitarre besetzen. Allerdings zögert die Technik hörbar, denen auch Saft zu geben.
  • Stay (Faraway, So Close): Wirklich schöner ruhiger Moment, nur mit Akustikgitarre und Gesang.
  • Unknown Caller: Hier wird praktischerweise der Text im Refrain eingeblendet. Leider hängt die Videowand oder besser der Videokegelstumpf fast direkt über uns, was mir eine gewisse Nackensteifigkeit beschert. Beschließe, ab sofort jedesmal vor dem Ausfüllen eines Webformulars zu singen: „Password, you, enter here, right now“.
  • The Unforgettable Fire: Das ist wieder was für echte Fans. Man merkt förmlich, wie die kleinen Bankangestellten, die zu jedem Rockkonzert gehen, wenn es nur teuer und laut ist, in sich zusammensinken, weil sie das Lied noch nie gehört haben.
  • City Of Blinding Lights: Eine Pest der Jetztzeit sind ja die Fotografierer. Anstatt das Erlebnis komplett in sich aufzusaugen, muss alle zwei Sekunden das Handy oder die Kompakte gezückt werden. Natürlich werden die Bilder alle nichts, weil total verwackelt. Aber man hat zu Hause „eine schöne Erinnerung“ und Montag in der Firma zeigt man dann die Bilder rum in der Hoffnung, die Kleine aus der Buchhaltung mit der so gewonnenen Coolness endlich in den Kopierraum locken zu können.
  • Vertigo: Eingezählt wird auf Deutsch. Bin ich der Einzige, der die spanischen Zwischenrufe mitsingt? Und wo kommt die Kleine her, deren Rucksack ab jetzt die ganze Zeit an meiner haarigen Brust herumschubbert?
  • I’ll Go Crazy If I Don’t Go Crazy Tonight (Remix Version): Auf jedem Album ist ein Lied, das nervt. Das gilt anscheinend auch für Konzerte und das hier ist es. Eine widerliche Remixversion meines Lieblingslieds auf dem Album. Will doch kein Kind mehr von Bono. Erstaunlicherweise stellt sich mein Hirn am nächsten Tag derart um, dass ich als Ohrwurm die Originalversion im Kopf habe, inklusive entsprechender Bilder. Das heißt, in meiner Erinnerung spielt die Band die schöne Version. Werde den Teufel tun, meine Synapsen zu korrigieren.
  • Sunday Bloody Sunday: Bin endgültig hin und weg. Die Leute um mich rum können mir egal sein. Vergesse sogar, den Spruch „Ey, das kenn ich von meiner ‚Fetenhits‘-CD“ zu bringen.
  • Pride (In The Name Of Love): Noch mehr tanzbares Musikmaterial. Versuche, dem Typen, der zwar hinter mir steht, dessen Kamera aber ständig über meinem Kopf schwebt und dessen Kamerabändchen meine Haare kitzelt, den Fotoapparat hopsenderweise aus den Händen zu schlagen, um dann anschließend aus Versehen draufzutreten. Springe daneben. Denke, dass es mir dann auch egal ist.
  • MLK: Noch ein ruhiger Moment.
  • Walk On:  Das schönste Lied für mich an diesem Abend. Habe die Aung-San-Suu-Kyi-Maske, die man hier aufsetzen sollte, längst verloren. Alle um mich herum auch. Ersatzweise betreten ein Haufen Gymnasiasten mit diesen Masken den Ring vor der Bühne.
  • Where The Streets Have No Name: Das zweitschönste Lied für mich an diesem Abend. Diesem Moment, wenn der Bass einsetzt und das Licht voll aufdreht und alle sich sehen können, ist mit nahezu nichts vergleichbar. So muss es im Himmel sein. Außer dass im Publikum da mehr Freunde sind. Und vermutlich weniger Wessis. Als Bono auf einer dieser Brücken, die den Abgrund zwischen Hauptbühne und Ring überspannen, über uns drüberfährt, spüre ich einen Tropfen auf der Stirn. Ist es der Schweiß des Meisters? Beschließe, mich nie mehr zu waschen.
  • One: Mit Videoeinspielung und einer recht banalen „Wir sind doch alle ein Mensch“-Botschaft. Nun ja, man muss die Message ja simpel halten, sonst versteht das hier wieder keiner, und alle denken, es ginge nur um Rockmusik und eckige rosa Brillen.
  • Ultra Violet (Light My Way): Bergemensch dürfte sich freuen, schließlich ist das hier der Pop-Mart-mäßigste Moment, den er heute Abend bekommt. Aus dem Nebel taucht Bono mit einem rotstrahlenden Laseranzug auf und hängt sich an ein von oben baumelndes Mikrofon. Ich weiß schon, warum ich nach „Zooropa“ erst mal aufgehört habe, U2 zu hören oder zu gucken. Das Lied ist aber klasse, wenn man nicht hinguckt.
  • With Or Without You: Das kennt natürlich jede hier, die eine Kuschelrock-CD zu Hause hat. Enstprechend hoch ist der Mitsängeranteil. Mittlerweile sind mir sogar die Raucher und die Rucksackschubberer egal.
  • Moment Of Surrender: Ich mag je den Text gerne. Meines Wissens hat bislang noch keiner so geschickt das Thema „Geldautomat“ in einem Song untergebracht. Ein würdiger Abschluss.
  • 23.00: Schluss. Ich merke plötzlich, dass ich statt zwei Füßen nur noch unförmige Fleischklumpen an den Ausfallenden der Beine habe, mit denen kein Schritt mehr möglich ist. Schleppen uns die Treppen hoch und reihen uns in die Menge der circa zwei Millionen Besucher ein, die jetzt unbedingt noch mal mit der U2 fahren wollen, schon als Reminiszenz an den schönen Abend.
  • 23.30: Der Trick mit Ruhleben war klasse, der Zug ist gemütlich leer, während auf der anderen Seite Menschen sehr unschön in die Waggons gequetscht werden.
  • 23.35: Durch einen Routingfehler bei Bergemensch finden wir uns statt in Haselhorst in Richtung Stadtautobahn wieder. Es gibt keine Berliner mehr, nur noch Autos mit seltsamen Kennzeichen. Um den hohen Adrenalinspiegel abzubauen, halte ich Carstens rosa Keule aus dem Autofenster und beleidige wahllos  die Fahrer auf der Nebenfahrbahn.

War insgesamt ein schöner Abend.

Wie das ist

Dieses Ding bringt mich – auch nach Jahren – immer noch zum Weinen. Hält mir den Spiegel vor und zeigt mir meine ganze Ãœberheblichkeit gegenüber den „Geringsten“ (ein uralter, aber recht passender biblischer Ausdruck).

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

Lukas 6, 36+37

Zwei Dinge, die mir heute das Herz brachen

Zum einen war da dieser sicherlich im Zorn, aber ehrlich und gut geschriebene Artikel von Sara über kalte Menschen auf bösen Parties. Mir fielen all die scheinbar vergeudeten Stunden ein, die ich mit echten Junkies verbracht habe, damals in meinen Zwanzigern bei Teen Challenge und in dieser kleinen verpissten Einrichtung an der Gedächtniskirche.

„Ihr habt keine Politik, ihr habt keine Seele, ihr habt nur Facebook und Twitter und die Partys, von denen ihr erzählen könnt- und die Aufmerksamkeit eurer Peer Group.“

Zum anderen diese kleine, junge, armselige Familie auf dem Nachhauseweg, Brunnenstraße kurz vor dem Bahnhof Gesundbrunnen. Er Bikertyp, schob seine Frau im Rollstuhl – und der Rollstuhl sah definitv wie einer aus, den man schon eine ganze Weile besitzt und in dem man noch sehr lange sitzen wird. Und auf ihrem Schoß ein vielleicht ein Jahr altes Kind.

Wie einige meiner frommen Freunde vielleicht auch zu Recht kritisieren mögen, kommt von meinem Glauben auf diesen Seiten nicht so viel vor. Was auch daran liegt, dass mir manchmal die passenden Worte nicht einfallen wollen. Aber eins habe ich auf dem Rad nach Hause doch gemerkt – würde ich nicht überzeugt davon sein, dass mein Gott mindestens die gleiche Wut und die gleiche Trauer  über die Menschen in dieser Stadt empfindet wie ich, ich würde entweder dicht machen und gar nichts mehr an mich ranlassen – oder selbst zerbrechen.

An eines langen Tages Abend

Ziehen wir mal Bilanz:

Der Älteste: Aufgerissener Knöchel, von Papa mit Klammerpflaster und Hansaplast liebevoll behandelt.

Die Ältere: Konnte wegen akuter Bauchschmerzen nicht an der Schulspeisung teilnehmen und kam früher nach Hause (Auslöser vermutlich Lampenfieber wegen des schulinternen Talentwettbewerbs).

Die Jüngere: Schafft es, kurz vor dem Abendessen noch mit dem Fahrrad einen Stunt hinzulegen. Und sich selbst gleich mit, und zwar auf Nase und Kinn. Von Mama gepflastert.

Nur der Jüngste hat den Tag bisher ohne Blessuren überlebt. Ich muss noch mal die faire Verteilung von Schutzengelpotenzial anmahnen. Mach ich dann beim Nachtgebet.