Archiv des Autors: maggi

Prioritätenänderung

Früher erschien es mir ein seltsamer Gedanke, dass man direkt nach der Arbeit, anstatt nach Hause zu Frau und Kindern zu gehen, in eine Kneipe einkehren wolle, um sich sinnlos zu betrinken. Nach acht Stunden nahezu ununterbrochenem Extrem-Debugging erscheint mir zweiteres als sehr reizvoll.

Ich widerstehe.

Gebt mir eure Passwörter

Bei Recherchen über PHP-Skripte habe ich etwas so wundervoll Absurdes, dass sich mir noch nach Stunden die Zehnägel aufrichten, wenn ich nur daran denke.

Es gibt eine praktische Webseite, auf der man einen Usernamen und ein Passwort eingeben kann und dann – für die Absicherung von mit .htaccess gesicherten Webseiten – den entsprechenden Text generiert bekommt, den man dann nur noch in die .htpasswd-Datei auf seinem eigenen Webserver kopieren muss. Einfacher kann man wohl selten an irgendwelche Passwort-Nutzer-Kombinationen kommen denn als Betreiber dieser Seite.

Ich denke daran, auf Basis dieser absichtlichen Sicherheitslücke weitere Onlinedienste zu generieren. Man könnte beispielsweise einen One-Password-Service anbieten, wo Leute auf einer Webseite ihre Passwörter für verschiedenste Dienste ablegen – kostenlos natürlich.

Die Eisenbahn stirbt

Lokomotive am Wilhelmsruher Damm

LEGO stampft seine Neun-Volt-Eisenbahnserie ein, Märklin ist insolvent und jetzt stirbt auch noch BRIO, Erfinder einer der schönsten und meistkopierten eisenbahnbasierten Spielzeuge. Womit sollen meine Kinder spielen? Mit Holzflughäfen etwa?

Der Spielwarensektor setzt den Trend und mit der Eisenbahn stirbt mein allerliebstes Fortbewegungsmittel. Und die Deutsche Bahn selbst tut ja auch alles, um noch den letzten Mitarbeiter und Kunden zu vergraulen.

And the sons of pullman porters
And the sons of engineers
Ride their father’s magic carpet made of steam
Mothers with their babes asleep
Are rockin‘ to the gentle beat
And the rhythm of the rails is all they dream

City of New Orleans – Steve Goodman

Unschöne Begegnungen

Nach einem Kurzgespräch mit einer Kollegin:

Das größte Problem von Alice ist doch, dass du als männlicher Kunde davon träumst, dass diese Frau aus der Werbung kommt, mit nichts, nur einem roten Schleier oder wenigstens nur diesem Kleidchen bekleidet und dir mal so richtig den Anschluss einrichtet. Stattdessen steht dann ein schwitzender Mittfünfziger mit ungepflegtem Bart im Blaumann vor der Tür.

Da bleibe ich doch bei der T-Com, da habe ich wenigstens keine überzogenen Erwartungen an den Service.

Gute-Alben-Liste: Wunderkinder

Es gibt Musiker, die es im Laufe der Jahre, ja Jahrzehnte auf die dunkle Seite des Pop gezogen hat. Irgendwann wurden die Texte banaler, die Musik schmalziger und ehe man sich’s versieht, schreibt der Held deiner Teenagerzeit nur noch Schnulzen oder moderiert blöde Liebesshows im Fernseh.

So geschehen mit Heinz Rudolf Kunze, dem ehemaligen Studienrat an dem Osnabrücker Gymnasium, auf das meine Cousins und Cousinen gegangen sind und der mich die halben Achtziger begleitet hat. „Wunderkinder“ gehört – ich gebe es offen zu – zu den Alben, die mich in meiner Jugend wahrscheinlich am stärksten politisch motiviert haben. Nicht, dass ich als braver Pastorensohn irgendwann angefangen hätte, ein Palituch umzuwerfen und auf Demos mitzulaufen, aber Lieder wie „In der Sprache, die sie verstehn“ oder das heftig getextete Antitierversuchslied „Kadaverstern“ waren eben doch nicht einfach so zum Mitsingen, sondern dann auch noch zum Nachdenken. Ich habe das Album vor zwei Jahren eher aus Versehen wieder angehört und war immer noch restlos begeistert, trotz des Alters. Auch heute ist das ganze Ding noch hörenswert, und wem die Politmessage zu doof ist, der freue sich halt an vom Deutschoberlehrer sauber betexteten „Sie sind gelandet“ oder „Finden Sie Mabel“.

Und wer sagt denn, dass die Botschaften nicht topaktuell sind? Hier:

Versteht sich, Herr Direktor,
wo kämen wir da hin,
wir sichern schließlich auch die Arbeitsplätze
Die Marktwirtschaft ist frei!
Der Wettbewerb ist hart!
Was brauchen wir da härtere Gesetze?

Unsre Kinder werden uns noch dankbar sein.
Wir taten mit Bedauern, was wir mußten.
Sie hocken vor dem Bildschirm, Taschenrechner in der Hand
und kichern vor Vergnügen bei Verlusten

Mitten in der Nacht,
in der Lobby ist noch Licht
die Dunkelmänner machen Politik
Realos tragen Rolex,
Realos schlafen nicht,
die Lobby ist der Führerbunker im Kontenkrieg

In der Lobby ist noch Licht – Heinz Rudolf Kunze