„Und manchmal ereignete sich auch das Unerhörte, das Glückliche, natürlich aus bloßer Schlamperei . Wir stiegen, begleitet von den Schließern, die Treppe zum Freistundenhof empor. Da passierte plötzlich das, was auf keinen Fall passieren sollte: Eine Gruppe Frauen begegenete uns beim Heruntersteigen. „Fritz!“, schrie eine Frau und sprang über eine halbe Treppe ihrem Freund in die Arme. Die Schließer hatten sich in Furcht vor einem Tumult oder Schlimmeren sofort mit Stuhlbeinen bewaffnet, aber da nichts Schlimmeres passierte als dieses einzige liebkosende Paar, begannen sie schließlich sogar zu lächeln. und ließen die beiden für eine halbe Minute gewähren, bevor sie für weitere Monate oder Jahre getrennt wurden.“
Nüchtern und glaubwürdig: Knast in der DDR. Gefunden immer noch bei Stralau. Wenn mich jemand auf eine ähnliche Beschreibung für Gefängnisse in der Bundesrepublik verweisen könnte, bitte melden. Ich möchte hier ncht einseitig werden.
Ach naja. Zum einen gab es ja gerade den furchtbaren erzwungenen Selbstmord im Knast in Nordrhein-Westfalen, es ist auch heute sicher nicht alles prima. Das deutet Rüddenklau ja auch an.
Zum anderen finde ich aber die Angst vor Einseitigkeit unnötig. Den Vorwurf der Einseitigkeit erheben entweder die, die in den Denkmustern des kalten Krieges hängengeblieben sind und glauben, zu jeder Schlechtigkeit aus der DDR habe es eine analoge aus der Bundesrepublik gegeben. Oder er kommt als Schutzbehauptung von solchen, denen jegliche Erzählung der DDR-Geschichte gegen den Strich geht.
In den anderen vormals sozialistischen Staaten gibt es auch Probleme mit der Erzählung der Vergangenheit. Aber nur in Deutschland gerät man sofort zwischen die Fronten. Dabei haben wir leider keine ureigene DDR-Presse oder -Forschungslandschaft mehr, die sich mit den Themen befassen könnte — müssen also die manchmal einseitige bundesrepublikanische Öffentlichkeit für diese Themen benutzen.
Das Bedürfnis, die DDR-Geschichte aufzuarbeiten ist da und wird auch noch eine ganze Weile dableiben. Das hat dann nicht notwendigerweise gleich etwas mit dem westdeutschen Antikommunismus zu tun.
Zu Deiner Frage bezüglich Haftbedingungen in der Bundesrepublik:
Ich kann mich nicht erinnern, daß in der „BRD“ jemals ein öffentliches Interesse an den Haftbedingungen in dortigen Gefängnissen bzw. (bis 1969 offiziell) „Zuchthäusern“ bestanden hätte, das auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre mit dem Interesse an den Verhältnissen in DDR-Gefängnissen. Einzige Ausnahme: die Haftbedingungen für die Mitglieder der RAF.
Ansonsten wurde gelegentlich über Selbstmorde oder andere unnatürliche Todesfälle in Gefängnissen – soweit sie bekannt wurden – in der Lokalpresse berichtet, und in besonders krassen oder ungewöhnlichen Fällen auch schon mal überregional.
Ein Grund für dieses geringe Interesse könnte sein, daß in der BRD nach landläufiger Meinung ja eh nur Verbrecher inhaftiert waren, während es in der DDR zum großen Teil Unschuldige bzw. politische Gefangene waren.
Dieser Artikel enthält immerhin im ersten Absatz („Strafvollzug“) ein paar interessante Zitate aus Spiegel-Artikeln.