Die Vertreibung aus dem Paradies
Natürlich war es etwas Erhebendes, Zugang zu einem Computer zu haben, noch schöner wäre aber gewesen, einen selbst zu besitzen. Stattdessen saßen wir oft bei Markus zu neunt zu Hause am Schneider und spielten Kaiser (der Joystick wurde für jeden Spielzug immer von Hand zu Hand gereicht) oder ich ging zu Frank, wo wir die neuesten Listings aus einer der damals noch recht rar geäten Computerzeitschriften in seinen Schneider abtippten. Oder ich saß halt in der Schule. Oder ich lungerte bei Horten im Märkischen Viertel herum und begaffte meinen Traumcomputer – den Schneider CPC.
In unserer Klasse hatten nämlich seltsamerweise alle Freaks, auch die, die vor einiger Zeit noch einen ZX81 besaßen, einen Schneider. Wir waren da irgendwie anders sozialisiert, obgleich um uns herum C-64-Land war.
Im Computerraum der Schule war ich mittlerweile der Hauptbewohner und hatte mir, um nicht immer im Lehrerzimmer die Boot- und Programmdisketten abholen zu müssen, alles wesentliche auf eigene Disketten kopiert. Leider ließ ich die irgendwann herumliegen, mein Mathelehrer entdeckte sie, hielt mir einen Vortrag über „Raubkopien“ (für mich waren das eher „Sicherungskopien“, aber die Diskussion existiert seit Erfindung der Diskette) und verbannte mich für ein Jahr aus dem Computerraum.
Das hätte die Vertreibung aus dem Paradies sein können, wenn ich nicht kurz darauf mit Hilfe der Verwandschaft, eines Geburtstags und eines Supersonderangebots meinen eigenen Schneider gekauft hätte. Mit Grünmonitor und Kassettenlaufwerk. Ich kann jetzt noch ungefähr den Anfang von „Elite“ von Bell & Braben pfeifen. Kassetten hatten auch den Vorteil, dass man Spiele auf Vaters Doppeltapedeck kopieren konnte. Nur die Ladezeiten waren etwas langsam, aber akzeptabel, wenn man sie mit dem 1540er-Diskettenlaufwerk des C64 verglich, das war auch nicht viel schneller. Später kam dann noch eine Floppy dazu, mit den legendären Drei-Zoll-Disketten, die so teuer waren, dass ich mir vom Taschengeld immer nur eine pro Monat kaufen konnte. Dafür konnte ich meinen Computer in BASIC vernünftig programmieren und musste nicht wie die Besitzer des Feindcomputers Assembler lernen, um irgendwas Vernünftiges auf dem Gerät zustande zu bringen. Aber bald mehr zu meinem Werdegang als Programmierer.
(In der Reihe “Herzlichen Glückwunsch oder Wie alles begann“ ist dies der fünfte Artikel nach jenem hier)