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I blinded her with science

17 Uhr 30 am Freitag. Hörer im Büro abnehmen, Kurzwahl nach Hause gedrückt:

„Hallo Schatz, es hat hier doch etwas länger gedauert. Wir mussten noch eine Implementierung des Damerau-Levenshtein-Algorithmus debuggen.“

Ich liebe meine Arbeit.

Liveblogging Xinnovations 2008

Sie (die Kollegen) haben es nicht anders gewollt, es gibt also zumindest vom CSW-Infotag auf der Xinnovations 2008, der Messe der IT-Meister von morgen, ein wenig Liveblogging. Inhalte kann man auch im Netz nachlesen, ich interessiere mich eher für die kleinen Begebenheiten am Rande …

  • Im Vorfeld war schon klargestellt worden, dass es für uns Mitarbeiter des veranstaltenden Lehrstuhls kein freies Mittagessen mehr gibt. Habe mich also bei Dunkin‘ Donuts eingedeckt, wo ich noch einen 20%-Gutschein einlösen konnte.
  • Leider komme ich so spät an, dass ich nicht guten Gewissens meinen leckeren Bagel essen kann.
  • Unser neuer Juniorprofessor wirkt recht nett. Sechs Jahre jünger als ich, jetzt weiß ich, warum es „Juniorprofessor“ heißt.
  • Der Konferenzfotograf hat wieder eine Ausrüstung, die mir den puren Neid in die Nieren treibt. Habenwill.
  • Hier hat gerade ein Vortragender gesagt „Wenn zum Beispiel ein Flugzeug abstürzt, ist das ärgerlich.“ So weit zum Zynismus der Informatiker. Eklig.
  • Es wird Zeit für ein Bullshit-Bingo für Semantic-Web-Konferenzen. Begriffe zum Beispiel: Wertschöpfungskette, Ontologie, Web 3.0.
  • Der erste Zuhörer verlässt den Saal. Immer hart für den Vortragenden.
  • Hurra! Er erwähnt die Bedeutung von semantischen Informationen für die Hotelsuche. Das ist mein Projekt „Reisewissen“ gewesen. Fühle mich verstanden und angenommen.
  • Er hat „SOA“ gesagt. Oh nein, er erklärt SOA. Ich kann es nicht mehr hören, was sicher daran liegt, dass ich vor zwei Wochen auf der berlin.jar war.
  • Jetzt klingelt das Handy des älteren Herrn neben mir schon zum zweiten Mal. Das wird jetzt gebloggt. Mich wundert, dass es immer noch Leute gibt, die nicht daran denken, ihr Gerät vor so einem Vortrag abzuschalten. Oder Vibration ein. Kann auch wunderschön sein, aber am besten in der hintersten Reihe zu genießen.
  • Er hat „Decision Maker“ gesagt. Argh. Allerdings ist der deutsche Begriff „Entscheider“ irgendwie noch widerlicher. Hat für mich immer so eine Bundeswehr-Konnotation.
  • Das harte Los des Konferenzmoderators: Sich für jeden Vortrag eine nette, aber interessante und nicht zu unangenehme Frage ausdenken zu müssen.
  • Der ältere Herr hat nicht nur ein lautes Handy, er stellt auch unangenehme Fragen („Kann man das nicht alles mit XML machen?“).
  • KAFFEEPAUSE
  • Es war nicht leicht, den Bagel zu essen, ohne sich den schicken Konfirmationsanzug vollzukleckern. Nächstes Mal mehr Servietten.
  • Der schönste Platz ist an der Steckdose. Auch ein MacBook muss mal auftanken.
  • Kollege M. tritt auf und erklärt uns zuerst mal, was eine Ontologie ist. Soll seiner Aussage nach verhindern, dass Leute rausgehen, weil sie der Thematik nicht folgen können.
  • Kollege R. latscht während des Vortrags hinter dem Kollegen M. vorbei. Der Saal bietet aber auch keinen anderen Weg.
  • „Agile Ontologieentwicklung“: Früher hat man mit dem Wort „agil“ rüstige alte Menschen bezeichnet („Unser Oppa is noch ganz schön agil für sein Alter“). Seitdem die IT-Welt das entdeckt hat, ist alles hier agil: Softwareentwicklung, Ontologieentwicklung, Unternehmen, Projektmanagement. Man kommt gar nicht mehr hinterher.
  • Aha. Kaum läuten draußen mal Kirchenglocken (St.-Hedwigs-Kathedrale?), werden die Fenster geschlossen. Willkommen im atheistischen Osten.
  • Huch, schonzuende? Rhetorisch super, ein echter wissenschaftlicher Mitarbeiter halt. Und er kann sogar Fragen beantworten, ohne rot zu werden.
  • Wieder eine Frage der Art „Ich frage hier nicht, weil ich was verstehen will, sondern weil ich zeigen will, wie unsäglich schlau ich bin und wie unendlich mehr ich doch vom Thema verstehe als der Vortragende“. Nun denn, besser, die Leute leben ihre Profilneurosen hier aus als zu Hause bei der Familie.
  • Hurra, Streitgespräche unter den Zuhörenden. Da kann man sich als Vortragender zurücklehnen und später den Verlierer auszählen.
  • Der Nächste bitte. Schön, mal was Praktisches.
  • „Wer hat schon mal was von UIMA gehört?“. Habe mich gemeldet. Ich hoffe, ich bekomme am Schluss den Bienchenstempel. Aufregend.
  • Der Mann kommt von IBM in Böblingen. Freund S. skypet mir auch gerade, dass er sich für den Job in Böblingen entschieden hat. IBM scheint nicht uninteressant. Aber nichts würde mich nach Schwaben ziehen. Mir reicht schon einmal Prenzlberg im Monat.
  • Er hat „das Einzigste“ gesagt. Autsch. Was lernt man heute eigentlich auf der Universität?
  • MITTAGSPAUSE
  • Nun ist unser Geschäftsführer dran. Der Vortrag, der je nach Perspektive am leichtesten oder am schwersten ist – direkt nach dem Mittagessen. Alle sind voll bis an den Rand und würden am liebsten schlafen. Andererseits hört kaum jemand so richtig zu (außer den Livebloggern natürlich), so dass man jetzt im Grunde die wüstesten Behauptungen und Halbwahrheiten ins Publikum werfen könnte.
  • Ah, eine Star-Wars-Referenz, ein guter Schachzug. Die Nerds wachen langsam auf. Kann auch gefährlich sein, wenn man irgendeinen Fehler macht – die Credibility ist dann futsch.
  • Wusste gar nicht, dass die Nikon D<irgendeineeinstelligezahl> auch so einen lauten Verschluss hat. Beruhigt mich etwas. Fühle mich mit meiner aus Gewichtsgründen eingepackten alten Pentax Program A trotzdem minderwertig. Dafür sind an der Wandseite mittlerweile alle vom Blitz genervt und atmen hörbar auf, als der Fotomann den Saal verlässt.
  • Heftigste Diskussionen über den Einsatz von Entwicklungswerkzeugen und Linguisten für die Ontologieentwicklung. Gut abgefangen.
  • Nächster – Kollege R. Dann Kaffee. Habe ich bitter nötig.
  • Jetzt diskutiert der Mann (siehe zwei Bullets vorher) schon während des Vortrags dazwischen (noch nenne ich es nicht stänkern). Wir haben mittlerweile alle verstanden, was er für ein Problem hat. Höflich wäre, die Diskussionen auf den Kaffee zu verschieben und zwischendurch nur Verständnisfragen zu stellen. Als Vortragender muss man locker bleiben und über sowas stehen, was auch nicht leicht ist.
  • Ah, ein KI-ler der alten Schule. Beim Thema „Semantic Web“ rasten die ja immer aus, weil ihre Technologien jetzt umgelabelt werden und jemand anders die Forschungsgelder für das einfährt, was sie in den Achtzigern schon alles erfunden haben. Würde mich auch ankotzen.
  • KAFFEEPAUSE
  • Festgequatscht, zu spät gekommen, Englisch im Vortrag. Draußen toben Kinder, was haben die bitte in einer seriösen Uni zu suchen?
  • Vibrationsalarm hört man auch sehr deutlich, wenn das Handy auf Holz liegt.
  • Oh, der Chef kommt rein. Becheftigt und aufmerksam wirken.
  • Die Folien sind in aufmerksamkeitsheischenden Farben gestaltet. Gut für einen Vortrag gegen Ende des Tages.
  • Englisch mit polnischem Akzent geht einfach nicht mehr in meinen Kopf.
  • Sie scheint eine Art Scheues-Reh-(oder Frauen)Bonus zu haben, zumindest ist die Diskussion hinterher wirklich freundlich und beschränkt sich auf Nachfragen zum Verstaändnis oder zur genaueren Erläuterung.
  • Kollegin O. hat jetzt den letzten Vortrag. Die Studenten gehen schon mal, müssen wahrscheinlich entweder Party machen oder ins Bett.
  • Jetzt haut sie lauter Dienste und Portale auf die Leinwand, die für uns als Firma interessant sind. Faszinierend, wie die Kolleginnen und Kollegen mitdenken. Recherche erweitern, Recherche erweitern!
  • Ah, sie zitiert Nova Spivack. Spivack finde ich ja gut, vor allem seine Ideen für das Web N.0. In Iteration 10.0 entwickelt das Web ein Bewusstsein. In 15.0 übernimmt es die Kontrolle über unsere Gedanken, über die von Google um 2100 entwickelten Nanosuchinterfaces, die mittlerweile obligatorisch für jeden Menschen sind. In the year 2525 …
  • Irgendwer hat das Licht angemacht und die Hälfte der Leute hier aufgeweckt.
  • Mikrohandling ist super. Ob das Teil ihres Gesangsunterrichts ist?
  • Kaum Fragen – weil weiblich oder ob der fortgeschrittenen Zeit und der freudigen Erwartung des abendlichen Empfangs unseres Vereins?
  • DISKUSSIONSRUNDE
  • Der alte KI-ler wünscht sich, verstanden zu werden und dass man seine Technologien ernst nimmt. Na, jetzt ist Diskussion, da darf er sich ausweinen. Ja, das gab es alles schon. Ja, das hat auch damals nicht funktioniert. Ja, jetzt ist alles webbasiert. Jajaja. Aber hier schaut keiner zurück, hier sind alle zukunftsorientiert.
  • So, das war’s – der Empfang kann beginnen.

Wer findet die Fehler?

Dass Informatiker, insbesondere Studierende der Informatik, zu den orthografisch eher benachteiligten Mitgliedern der Gesellschaft gehören, war mir nichts Neues. Dass aber mittlerweile auch bei solchen Aufgaben wie der Erstellung eines Programmhefts für eine kleine Konferenz auch keine Rechtschreibprüfung mehr herangezogen wird, erschreckt doch.

Trotz sorgfälltiger Bearbeitung aller termingerecht eingereichten Unterlagen können
der Herausgeber und der Verlag keine Gewähr für vollständige und richtige Eintragungen
übernehmen. Schadenersatz für fehlerhafte, unvollständige oder nicht
erfolgte Eintragungen und Anzeigen ist ausgeschlossen.
Die Freispeisen und -getränke sind eine Zugabe, auf die es keinen Rechtsanspruch
gibt, erst recht nicht, sollten die Vorräte aufgebraucht sein.
Während der Konferenz werden Fotos gemacht, welche wir veröffentlichen wollen.
Wir gehen grundsätzlich von Ihrer Zustimmung zur Veröffentlichung aus. Wollen
Sie dagegen wiedersprechen, so sprechen Sie uns hierauf an. Der Wiederspruch
ist nur dann bindend, so wir diesen schriftlich festgehalten haben. Wir bitten Sie
hierauf zu achten.

Sehr sch̦n Рinhaltlich gesehen Рist auch der zweite Absatz. Wenn der Kaffee hier alle sein sollte, bekommt ihr es aber mit meinem Anwalt zu tun!

Bis der Arzt kommt

Bislang besteht mein Forschungsprojekt zu 90 % aus Telefonkonferenzen mit ständig wechselnden Teilnehmern. Ich suche noch nach Möglichkeiten, wie man sich lautlos nebenher beschäftigen kann, wenn die Themen einfach nicht relevant sind.

  • Nasebohren
  • Pediküre
  • Comics zeichnen

Nebenbei

Ach ja, seit dem 23. Juni bin ich dann auch wieder bei der Exzellenzeleganzeliteuniversität in Lohn und Brot, Projektname „ALETHEIA“. Woher stammt der Name? Aus dem Griechischen, man findet ihn auch in der Bibel:

Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch freimachen.

Johannes 8, 32

Was das Konzept „Wahrheit“ nun mit der Semantischen Föderation umfassender Produktinformationen zu tun hat, werde ich sicherlich noch herausfinden.